…und einen weiteren Auftrag, für den ich keine Abschlüsse und nur ein leeres Portfolio vorzeigen konnte. Seit diesen einschlägigen Erfahrungen bin ich mir sicher: Mit Humor und gutem Design lässt sich (fast) alles erreichen. Vielleicht sollte ich die nächste ‘Bewerbung’ mal an das Amt für Weltherrschaft schicken?
Ich sage dir mal wie das ist, wenn man von einer schulischen Ausbildung als staatl. geprüfter Gestaltungs- und Medientechnischer Assistent kommt: Gefühlt aussichtslos.
Wie in vielen anderen Berufen auch, sollte man als angehender Grafikdesigner nicht älter als zwanzig sein, zehn Jahre Berufserfahrung aus dem Agenturenumfeld mitbringen, fließend acht Sprachen sprechen, vor Kreativität zu jeder Tages- und Nachtzeit übersprudeln, fit im Kaffee kochen sein, sich nichts besseres vorstellen können als in einem Team mit schwierigen Persönlichkeiten überleben zu müssen und die eigene Freizeit nicht so wichtig nehmen. (Übrigens hat sich an diesen Umständen nie besonders viel geändert und das war ein guter Grund für die Selbstständigkeit.)
Und wenn du dich dann noch gegen die fünfunddreißig anderen hochqualifizierten Bewerber aus ganz Europa durchsetzt – hey, schon gehört dir der schlecht bezahlte Job!
Daneben wollte ich all das auch noch in Berlin inklusive einer finanzierbaren Wohnung die Hundehaltung erlaubt. Und das am besten im Grünen. Kurzum: Ich hatte die größtmögliche Wahrscheinlichkeit nichts davon zu bekommen. Ja es ließ sich fast mit Sicherheit sagen, dass das absolut unmöglich war.

Für eine Bewerbungsreihe habe mich mal als kleine Aufsteller selber verschickt. Alles in der Größe einer Visitenkartenschachtel. Kostenpunkt: 2,40€ / Bewerbung
Wie viel anders sein gestehst du dir selbst zu?
Eine innere Sicherheit und ein Gefühl, für das ich mich heute öfter mal selbst beneide: Gleichgültigkeit! Mir war es nämlich absolut egal, wie aussichtslos das war. Weil ich unbedingt wollte. Es gab keinen Plan B und keine andere Option. Es musste einfach klappen.
Und so machte ich gebrauch von dem, was ich als künstlerische Freiheit bezeichne. Und kombinierte es mit Personal Branding.
Schon damals hatte ich die bunten (aber eher roten als pinken) Haare.
Ich arbeitete daher hauptsächlich rote Bewerbungsunterlagen aus, die weder in eine Mappe, noch in einen normalen Umschlag passten. Es war ein quadratisches Format, dass ich auf A2 ausdrucken, zuschneiden und per Hand falten musste. Mit Messern und Linealen und Winkeln. Das kostete pro Bewerbung ca. 35 Minuten und war 100% Handarbeit.
Aus dem quadratischen Briefumschlag zog man ein quadratisches Stück Papier heraus. Weiß auf Rot stand da: “Hier kommt die Grafikerin die ihr euch immer gewünscht habt.” Oder irgendein anderer Quatsch, den ich weder ernst meinte, noch halbwegs selbstbewusst hätte sagen können.
Und dann klappte man Stück für Stück die Bewerbung auseinander: Es gab einen Mini-Lebenslauf, weitere Fotos von mir, eine URL inkl. QR-Code um auf meine Website inkl. Portfolio zu bekommen. (Wie war weder mobiloptimiert, noch gab es besonders viele nennenswerte Referenzen). Keine Zeugnisse, keine Empfehlungsschreiben – woher auch? – und absolut keine fetten Agenturnamen.
Engagement zieht Unterstützung nach sich
Einfach war das mit dem Job bekommen nicht.
Es blieb ein harter und steiniger Weg mit vermutlich 100 versendeten Bewerbungen. Aber die Reaktionen die ich erhielt, waren überwältigend. Nicht nur, dass ich auf 99% meiner Bewerbungen eine Rückmeldung erhielt, was, solltest du dich kürzlich beworben weißt du es, absolut keine Normalität mehr ist; Ich erntete sogar Unterstützung von denen, die mich nicht einstellen konnten.
Ich bewarb mich fast ausschließlich initiativ und musste also damit rechnen, dass es oft gar keinen Platz für mich gab. So auch in einem Berliner Start Up das in einem großen Coworking-Space saß.
“Deine Bewerbung ist großartig und ich wünschte, wir könnten dich einstellen. Ich finde dein Engagement aber so toll, dass ich deine Bewerbung an unsere Coworking-Pinnwand hänge: Da laufen täglich ein paar hundert Menschen vorbei, viele von ihnen Arbeitgeber und Unternehmer. Ich bin mir sicher da ist einer dabei, der auf jemanden wie dich gewartet hat!”
Das war übrigens nicht so.
Aber am Ende wurde ich von einem anderen Unternehmen eingeladen, dass keine Grafiker suchte – und mich dann einstellte. Einfach, weil ich mich mit einer Bewerbung bewiesen hatte, die anders war als alles was die Berliner Personalszene bisher gesehen hatte.
Gestatten? Frau Fuchsia. Jetzt auch in Text.
Bis ich 13 oder 14 Jahre alt war, lautete meine Antwort auf die Frage was ich “später mal werde” immer: Bestseller-Autor. Da kam irgendwie was dazwischen. Aber ich schreibe immer noch mit viel Leidenschaft. Es fällt mir leicht und ich kann witziger sein, als ich es im wahren Leben jemals sein werde. Außerdem liebe ich es, überall hingehen und jedermann sein zu können, sobald ich schreibe.
Jedenfalls treibt mich immer wieder der Gedanke um, das Schreiben (doch noch) zum Beruf zu machen. Und so habe ich mich kürzlich auf einen richtigen, echten, bezahlten Texter-Job beworben. Und ihn bekommen!
Ohne ein Portfolio, ohne Vorzeigenamen oder Empfehlungen, ohne auch nur die geringste Form von Ausbildung.
Wie?
Es war wieder die Bewerbung! (Das hat man mir sogar so gesagt. ;)) Jetzt fragst du dich vielleicht, was man in ein Portfolio packt, das nicht existiert. Und evtl. auch, was das mit deinem Business zu tun hat. Dazu gleich.

So habe ich mich kürzlich beworben – und den Job bekommen, für den ich nie offiziell studiert oder gelernt habe und kaum (/kein) Portfolio vorzuweisen habe. “IHR KÖNNTET JEMANDEN EINSTELLEN DER THEORETISCHEN NONSENSE MIT HOCHTRABENDEM TITEL STUDIERT HAT. ODER IHR NEHMT MICH: NICHTS GELERNT UND DOCH GESCHAFFT. UNAUSGEZEICHNETE TEXTERIN MIT REALITÄTSBEZUG, WITZ UND NEUEN IDEEN. AUSSERDEM: EUREM TEAM KÖNNTE EIN BISSCHEN DIVERSITÄT NICHT SCHADEN, ODER? DIESE ‘BEWERBUNG’ IST FÜR DIE MUTIGEN UNTER EUCH.”
Echte Motivation.
Das ist meine simple Antwort. Wann immer ich etwas will, für das ich zumindest auf dem Papier nicht geeignet bin, dann lege ich alles darein zu zeigen, weshalb ich das wirklich machen will. Und weshalb ich glaube, dass ich das wirklich kann. Ohne Bewerbungs- und Marketing-Blabla. Kein “…ich bin teamfähig und gewissenhaft.”
In meinem Fall bedeutete das: Ich habe meine Bewerbung als Portfolio genutzt. Ich habe meine ganze Kreativität in jede Menge Text (und Bild & Design, von Berufswegen) gesteckt. Und gesagt: Klar könnt ihr jemanden einstellen der tolle Abschlüsse hat – oder ihr nehmt mich. Ich sehe vielleicht auf dem Papier sch**** aus, aber im machen bin ich spitzenklasse.
Und wen würdest du bevorzugen?
Was hat das mit mir und meinem Business zu tun?
Dieser Ausflug in meine Vergangenheit und Gegenwart soll dich ermuntern:
- …dich zu fragen was du wirklich willst.
- …zu überprüfen, ob du alles dafür tust, es zu bekommen
- …dich von Mut & Andersartigkeit leiten zu lassen.
Es ist eine der großen Vorteile, die wir als Selbstständige und Freelancer haben: Wir dürfen Dinge anders machen als die anderen. Wir dürfen entscheiden, wie wir um unsere Kunden werben, wie wir sie überzeugen, wie wir uns selbst darstellen, wie wir unser Business führen, wie wir unsere Fähigkeiten unter Beweis stellen.
Ich weiß wie angsteinflößend das sein kann.
Meine ersten “außergewöhnlichen Bewerbungen” habe ich micht Bauchschmerzen verschickt und Gewitterantworten befürchtet, in denen ich zusammengefaltet werde. Und sicherlich war meine erste Bewerbung weniger absurd als es meine heutigen sind. (Dafür funktionieren die heutigen besser).
Ich glaube aber, dass wir uns als Selbstständige immer wieder daran erinnern dürfen, dass wir unsere Spielregeln selber aufstellen können. Oft ist das auch der Grund, weshalb wir uns einst selbstständig gemacht haben. Aber wir vergessen das häufig. Wir blenden die große Freiheit mit ihrem einhergehenden Risiko aus, weil es sich auf zertrampelten Pfaden einfacher läuft.
“Go the extra Mile. It’s never crowded.”
Wenn ich eines gelernt habe in meinem Leben, nicht nur in meiner Arbeitswelt, dann ist es das: Gönn’ dir die Extraarbeit. Schenk dir die paar Minuten Zusatzaufwand. Da, wo mehr gemacht wird als nötig, ist es niemals überfüllt.
Mut, Tatendrang und Pippi-Langstrumpf-Spirit schickt aus dem digitalen Fuchsbau,
Tamara
Änn says
“…ich bin teamfähig und gewissenhaft.”
Oh Himmel, das höre ich jeden Tag um Tag um Tag um Tag um….. du ahnst es. Und “Ich kann selbstständig arbeiten” Uh, toll, du bist erwachsen und im Arbeitsleben angekommen, super, das Schippchen kannste vorne links abgeben. Sag ich natürlich nie.
Auch als Arbeitnehmer schadet es nicht, aus der Masse hervor zu stechen. Das ist es dann, was ich wirklich sage. Zu finden, was es aber ist, ist oft die Krux. Und sich DANN auch noch die Mühe machen es herauszuarbeiten UND umzusetzen… Jungejunge.
Aber wie du sagst: Es lohnt sich. Auch das sehe ich beim JobCoaching jedes Mal, wenn es dann doch jemand wagt.